Semuc Champey
Reisebericht aus Semuc Champey, Guatemala
11 Stunden auf der Kiste
Der Plan war, entspannt, per Minibus, von Flores nach Lanquin zu schweben. Unser Agenturheini Luis hat alles für uns gecheckt und gemeint „um 16:00 seid ihr da, eher früher“. Nachdem der Minibus doch noch bei uns ankommt (45 Minuten zu spät), steigen wir ein und belegen die letzten zwei Plätze. Nach einer Fahrt von 50 Meter hält der Bus wieder – dort stehen noch zwei mittelalterliche Personen. Ratlosigkeit bricht aus. Nach Durchsicht der Minibusbesatzungscheckliste ist schnell klar, dass zwei Plätze zu wenig sind. Wir kennen schon das übliche jetzt folgende Prozedere: Für die letzten Zwei werden winzige Holzhocker in den Gang gestellt und wir sind froh, dass wir schon Sitzplätze haben. Wir schenken ihnen ein mitleidiges Lächeln – viel Spaß in den kommenden sieben Stunden! Nachdem die Minibusbesatzungscheckliste erneut geprüft wird ist klar, WIR sitzen auf den Hockern, denn unser Agenturass Luis hat irgendetwas vergeigt – herzlichen Dank!
Baby bekommt sogar eine Rückenlehne anmontiert, bei mir ist das Ding leider kapuhut. Was soll ich sagen, sieben Stunden später sitzen wir immer noch auf unseren ca 35 Zentimeter breiten Hockern und das Ziel ist noch nicht in Sicht. Wie sich später herausgestellt hat, haben wir unabhängig voneinander, während die Fahrt immer länger wurde, unsere meistgehassten Mitfahrer ausgesucht. Am Ende, liegen die Tussi mit der suuuuperguten Laune, die neben dem Fahrer sitzt und gerne zur Musik des Radios mitklatscht und den Fahrer mit überinteressierten Fragen davon abhält, ein vernünftiges Tempo zu fahren, ex equo mit einer Dreiergruppe israelischer Mädels ganz weit vorn. Nur noch getoppt, von dem ebenfalls megagenervten Typen, der uns doch tatsächlich nicht erlaubt, ein Fenster aufzumachen, obwohl sich der Minibus mittlerweile in eine fahrende Sauna mit Fußschweiß-Aromatherapie verwandelt hat.
Ich habe während der Fahrt auch ausgiebig Gelegenheit, mich zu fragen, warum wir eigentlich dahin fahren, wo wir gerade hinfahren. Dunkel ist da was von einem Fluß und Fledermaushöhlen und vom Arsch von Guatemala. Nach über neun Stunden steigt das zuletzt zugestiegene Paar aus – wir haben wieder Sitzplätze! Nach einer weiteren Stunde Fahrt in die Pampa (Inzing ist eine Megacity gegen alles, was bei uns vorbeizieht), sind wir am Ziel unserer Fahrt – Lanquin, wo uns sofort ein paar Keiler anquatschen in ihr Hotel in Semuc Champey mitzufahren. Total entnervt geben wir klein bei und steigen auf die Ladefläche eines Pickups. Vorne im Fahrgastraum sitzen unsere israelischen Freundinnen. Dann geht’s im Stehen (weil einem das Sitzen auf einem 10 Zentimeter breiten Holzbrett jede erogene Zone im Schoßbereich tötet) noch eine Stunde über unaussprechlich gewagte Bergstraßen in unser Dschungelcamp. Es empfängt uns dieselgeschwängerter Dschungel und ein Hitmix aus den 80ern und 90ern. Wir beziehen unser, für Moskitos nach allen Seiten offenes Dachzimmer. Die Laune ist im Keller und wir führen die gegenseitigen Granteleien, mit denen wir aus Langeweile schon im Minibus begonnen haben, noch eine Weile und ein Abendessen weiter, bevor ich mich ins Bett verkrümle.
Die Schlaumeier unter euch, werden schon durchgerechnet haben, dass wir nur zehn Stunden auf den Hockern verbracht haben. Das stimmt aber die eine Stunde auf dem Pickup, die davon geprägt war, sich festzuklammern um nicht verloren zu gehen und das permanente Anhauen an Eisenstangen, das Verrutschen von Gepäck und Nahrungsmitteln auf unsere Füße zähle ich mal grosszügig zu den Hockerstunden dazu.
P.S.: unser Fenster-Nicht-Aufmachen-Hassobjekt, hat sich von seinem Agenturheini aufschwatzen lassen, dass die Fahrt nur vier Stunden dauert.
Seymuc Champey
Nach einer überraschend moskitofreien Nacht in unserem Palmenblätterdachbodenzimmer sieht der Arsch von Guatemala schon wieder ganz anders aus, auch wenn der Kaffee zum Frühstück so aussieht, als hätte man eine Tasse Milch bei einem Kaffeefeld vorbeigetragen – er schmeckt auch so. Hat übrigens genau die Farbe des Flusses, der bei unserem Camp vorbei fließt. Darüber sollten wir uns mal Gedanken machen. Wir latschen in den Naturpark und entschließen uns, dem Schild zum Mirador (Aussichtspunkt) zu folgen, auch wenn dort etwas von schwierig oder gefährlich steht. Nach einem fordernden Aufstieg stehen wir durchgeschwitzt auf der Plattform und sehen den Fluß, der türkis über Kaskaden durch den Dschungel fließt, von oben. Ich bin mit dem Holzhocker von gestern versöhnt. Wir plaudern mit entzückenden Schweizer Rastafari und steigen nach einem Sit-In zu den Kaskaden hinunter. Hier sagen auch die schlechtesten Bilder mehr als 1000 Worte. Nur kurz: dieser Ort rangiert ab jetzt auf Platz eins meiner „Die besten Pools des Universums“ – Liste. Auch wenn ich mir noch nie viele Gedanken über das Paradies gemacht habe, denke ich, dass es dort genau so einen Platz gibt. Als Supersonderzubehör zum kristallklaren Wasser gibt’s hier jede Menge „Putzerfische“, die sich sofort daran machen alte Haut von unseren Körpern zu knabbern – super!
Nachdem Gewitter gestern Abend haben sich doch ein paar Moskitos gefunden, die auf europäisches Blut stehen. Etwas zermatscht trinken wir wieder Flußkaffee (obwohl der Fluß heute grün ist). Heute steht die Höhle hier um die Ecke und am Nachmittag plantschen in den Kaskaden auf dem Plan. Baby fürchtet sich ein wenig vor der Höhle, die mit einer Kerze in der Hand durchschwommen werden muss, und das zurecht. Schon am Eingang kommt uns eine Gruppe aus der Höhle entgegen, die ähm, etwas verstört wirkt. Jemand sagt „I did not think that I would survive this“. Aber auf Nachfrage ist man sich einig, dass es schon „cool“ war. Genaue Ausführungen zu unserer Begehung/Schwimmung gibt’s gerne auf Nachfrage. Fotos gibt’s aufgrung fehlender, wasserdichter Kamera nicht. Es war für mich das intensivste Abenteuer der bisherigen Reise – nichts für Zartbesaitete – keine Bewunderung schöner Strukturen und Tropfsteinformationen, sondern eine einstündige Konzentrationsübung. Eine Höhle in dieser Form wäre in Europa niemals öffentlich zugänglich, umso mehr sind wir froh, hier zu sein und diese Erfahrung gemacht zu haben. Wir lassen uns noch in aufgeblasenen Schläuchen von Autoreifen eine halbe Stunde den Fluss entlangtreiben – neumodisch „Tubing“ genannt. Und nach so einer Höhlenexpedition megalangweilig.
Der Nachmittag an den Kaskaden ist wieder paradiesisch. Wir werden erneut von Fischen geputzt und probieren eine natürliche Wasserrutsche zwischen zwei Kaskaden aus – YEAH!